
“WIR MÜSSEN DAS NICHT FEMINISMUS NENNEN”
Margarete Stokowski hat ein Buch geschrieben. Zur Premiere ihres Debuts „Untenrum frei“ twitterte die Spiegel-Kolumnistin ein Foto. Darauf zu sehen: Sie, das Buch und die Worte „Ich weiß, es ist für euch nicht gleich verrückt wie für mich, aber DAS BUCH IST DA“. Ähnlich locker wie der kurze Tweet, lesen sich die sieben Essays, die man „einzeln lesen können sollte“ und die „hintereinander eine Geschichte ergeben.“ Chronologisch erzählt Stokowski von prägenden Erlebnissen aus ihrer Kindheit. Sie spricht über Aufklärungsversuche irgendwo zwischen „Spalten“ und „Gliedern“, witzelt später über Sex, der keinen Spaß macht und philosophiert darüber, wie er Spaß machen könnte.

Nicht immer ist es lustig. Im dritten Kapitel, “Wissen wäre Macht“, geht es um Gewalt, um Grenzüberschreitungen – Stokowskis Erfahrungen werden zur Projektionsfläche. „Sobald wir anfangen, das Wort zu ergreifen, und unsere eigene Geschichte öffentlich zu erzählen, geschieht etwas“, schreibt sie. Es sind die persönlichen Erfahrungen und die kleinen Erlebnisse, die in „Untenrum Frei“ zum roten Faden werden. Stokowski schließt vom Kleinen ins Große, von den persönlichen Erlebnissen auf Positionen aus Literatur, Philosophie und die tausend Mal rezitierten Debatten. Es wäre falsch, das „Name Dropping“ zu nennen. Zwar sind sie „alle“ dabei, von Simone de Beauvoir, Rebecca Solnit, Laurie Penny, Freud, Hume bis zu Sontag, Lorber und Butler, doch weil Stokowski zuletzt selbst schreibt, dass man keinen „bestimmten Kanon feministischer Literatur gelesen haben“ muss, um sich Feministin nennen zu können, wirken die Zitate eher wie Zement zwischen den wichtigen Elementen und nicht wie die Elemente selbst.
Wer „Untenrum frei“ lesen sollte? Alle, die denken, dass es Alternativen zu gegenwärtigen Gesellschaftsmodellen gibt. Jeder, der sich als Individuum und nicht als Kategorie wahrnimmt und dem die Freiheit anderer am Herzen liegt. „Untenrum frei“ ist ein Buch über Menschen und darüber, wie diese Menschen zu den Menschen werden, die sie sind. Es ist ein Buch, dass Fragen stellt und es ist schon jetzt der neonfarbene Beweis dafür, dass die Feminismusdebatte endlich da angekommen, wo sie hingehört – zwischen Popkultur und Mainstream. In der Gesellschaft!
“Untenrum Frei” I 08.09. 2016 im Rowohlt Verlag I 19,95 Euro
Lesung I 16.09.2016 I Volksbühne Berlin Roter Salon
Fotos via facebook
Text von Clara Becking