
TALLEEN ABU HANNA ÜBER DAS LEBEN ALS TRANS-MODEL IN ISRAEL UND IHRE ARBEIT FÜR DESIGUAL
Das spanische Label Desigual beweist in jeder Saison aufs Neue, dass es für Individualität und Einmaligkeit, für Kreativität, Lebensfreude und Gleichberechtigung steht. So auch mit der aktuellen Kampagne zur “Exotic Jeans” Linie. Neben den Models und Tänzerinnen Oli Donoso und Cai Lee, sticht Talleen Abu Hanna vor allem durch ihre ganz besondere, bewegende Geschichte aus dem Trio heraus. Die erst 21-jährige “Miss Transgender Israel” hat es geschafft sich gegen Vorurteile, Unterdrückung und Unverständnis hinwegzusetzen und ein Vorbild zu werden. Material Girl hat Talleen zum Gespräch getroffen.
Desigual steht für Individualität und die Ästhetik “anders zu sein“ – was bedeuten diese zwei Worte für dich?
Diese zwei Wörter passen zu mir wie Topf auf Deckel: meine Individualität und mein “anders sein” haben mich zu dem gemacht, was ich heute bin, stark, unabhängig und eine Kreation meiner selbst. Voller Stolz.
Was bedeutet es eine Transfrau in Israel zu sein? Was sind deine Erfahrungen? Und: wie kann man sich die Szene vorstellen?
Ich bin sehr stolz die erste israelisch-arabische Transfrau zu sein, die den Titel zur “Miss Trans Israel” gewonnen hat. Neben den Anfeindungen zwischen Arabern und Juden, Heterosexuellen und Homosexuellen, sind die Menschen in Israel sehr unterstützend. Egal, welche Kultur oder Hautfarbe man hat. Das war sehr überraschend und überwältigend für mich.
Models wie Hari Nef, Andreja Pejic und Lea T. haben den Weg für Transgender Models in der Szene geebnet.Welche Veränderungen konntest du schon feststellen und wo siehst du immer noch Probleme?
Ich denke, wir sind gerade noch am Anfang dieser Entwicklung. Das Schöne an ihr ist, dass jedes Trans-Model etwas Anderes, Besonderes mitbringt. Das Problem ist momentan, dass die Modeszene noch nicht offen genug für diese spezielle Schönheit ist. Aber wie man an Marken wie Desigual sieht, gibt es Hoffnung und Menschen, die sich für einen Wandel und mehr Offenheit in der Modewelt einsetzen.
Das erhoffst du dir auch mit deiner eigenen Arbeit als Kampagnengesicht für Desigual.
Ja, ich hoffe, dass viele Menschen sehen werden, dass man als Transfrau eine große Kampagne machen kann und diese auch angenommen wird. Ich hoffe, dass die Menschen jenseits von Mode und Geschlecht die wahre Schönheit erkennen.
Was bedeutet Frau sein für dich, beziehungsweise wie definierst du diesen Ausdruck für dich persönlich?
Dafür gibt es keine Worte, man kann es, mich nicht definieren. Ich bin Talleen. Ich werde niemals eine “natürliche” Frau sein. Ich bin wie eine bionische Person, einzigartig. Not a man but with women appearance. Mein Gender ist Talleen.
Welcher war der bewegendste und wichtigste Moment in deiner bisherigen Karriere?
Das Bewegendste bis jetzt war eigentlich, dass mich so viele transsexuelle Leute von der ganzen Welt, wie aus dem Libanon, Spanien, Amerika, und Dubai, die immer Angst hatten sich zu outen, kontaktiert haben und mir gesagt haben, dass sie durch meinen Sieg bei der “Miss Transgender Wahl” und der Desigual Werbung dazu ermutigt wurden sie selbst zu sein. Für mich ist das das größte Geschenk.
Kannst du dich noch an den Punkt erinnern, in dem du gemerkt hast, du möchtest Teil der Modewelt werden?
Bevor ich meinen Fotografen und späteren Agenten Michael Liani kennengelernt habe, hätte ich nie gedacht, dass ich in die Modeszene passe oder gar als Model arbeiten könnte. Er brachte mir alles bei und glaubte immer an mich. Ich liebe seine Art von Kunst in Kombination mit der Mode. Deshalb stehen wir uns auch so nahe. Ich liebe es, wie er mich fotografiert und in Szene setzt.
Momentan zeigt sich eine neue, starke Bewegung von “Female Empowerment”. Wo siehst du dich selbst in dieser Bewegung?
Ich sehe mich gerade mehr in der “Queer Empowerment“ Bewegung. Ich möchte transsexuellen und homosexuellen Menschen auf der ganzen Welt und vor allem in den konservativen, arabischen Ländern helfen sie selbst zu sein. Ich unterstütze natürlich auch die Frauen, aber alles Schritt für Schritt.
Wer hat dich auf deinem Werdegang am meisten geprägt?
Am Anfang meiner Karriere lernte ich Jennifer Kim, eine tolle Transfrau, kennen. Sie zeigte mir, wie man ein erfolgreiches, schönes und vor allem normales und friedliches Leben als Transfrau führen kann. Sie ist heute meine beste Freundin. Nach ein paar Monaten stellte sie mich dann ihrem besten Freund Michael Liani vor, sie machten auch Kunst zusammen. Ich war begeistert von deren gemeinsamen Projekt: èe'(evileye). Ein Kurzfilm, der den Wahnsinn, man könnte bei bloßem Augenkontakt von Trans- und Homosexuellen “infiziert” werden, thematisiert. Er fotografierte mich danach in seinem Studio und von dem Zeitpunkt an ist alles Geschichte.
Was ist dein größter Wunsch für die Zukunft?
Mein Leben friedlich zu leben und ein Vorbild für transsexuelle Menschen auf der ganzen Welt zu werden.
Von Liesa Eschemann