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BEI NAFSIKA SKOURTI IST MODE KOPFSACHE

Wenn uns die Gefühle überrempeln, haben wir statt Schmetterlingen im Bauch manchmal eher Autoscooter im Kopf, die blinkend und rasend aufeinander krachen. Druck, Stress und Verzweiflung fordern uns Runde um Runde wieder heraus – und fühlen sich bestätigt durch unseren ganz privaten Anheizer, den eigenen Erwartungen. Dieses Rennen mit der Rationalität hat die jordanische Jungdesignerin Nafsika Skourti mit ihrer Debütkollektion „9 to 5“ 2015 in textile Realität gefasst. 2012 machte sie ihren Bachelor in „Fashion Print“ am Central Saint Martins, studierte vorher bereits „haute couture embroidery“ am „Ecole Lesage“ in Paris und designt heute Mode, die sich zwischen feinster Schneiderkunst und Outfits für junge Frauen, die etwas zu sagen haben, einpendelt.

Die Präsentation eben dieser ersten Kollektion bezeichnete Nafsika Skourti als „Fashionable protest“, die Inspiration kommt nicht etwa aus der kollektiven Depri-Stimmung ihrer Generation, sondern ihrem direkten Umfeld: Schwester Stephanie war Bankerin bei Goldman Sachs, dem ständigen Erfolgsdruck irgendwann nicht mehr gewachsen und wurde nicht nur das Gesicht hinter Nafsikas Kleidung, sondern ist mittlerweile auch ihre Geschäftspartnerin. Zusammen kreieren sie Mode, die genau diesen Übergang von überfordert zu frei einfängt. Schnöde Hosenanzüge und Blazer werden durch glitzernde Zick-Zack-Streifen gebrochen und einer Welt voller Farbe, Leichtigkeit und Leben vorgestellt. Der Ausbruch einer gefangenen Karrierefrau aus dem Wirrwarr ihres eigenen Kopfes.

Abstrakte Gedanken in Kleidung zu übersetzen, sei ihre Stärke, sagt Nafsika. Vielleicht, weil die Thematiken ihrer Kollektionen immer so nah an ihr selbst liegen. Für S/S 16 ließ sie sich von ihrer eigenen Situation inspirieren: Einem Dasein als junger Frau in einem Land, das von Krieg, Elend und Verzweiflung durchzogen ist. Nafsika lebt und arbeitet in Jordanien, Stücke ihrer aktuellen Kollektion „Temporary Security“ überzog sie mit arabischen Schriftzügen, brennenden Autos und gefärbten Camouflage-Mustern. Statt Übergängen stellen ihre Stickereien hier Grenzen dar: Zwischen West und Ost, Englisch und Arabisch, versuchter, aber fehlgeschlagener Kommunikation. Und das so eindrucksvoll, dass nicht nur Sängerin Aluna Francis im Musikvideo „I’m in Control“ von AlunaGeroge Nafsikas Designs trug, sondern auch Königin Rania von Jordanian schon zu einem ihrer Mäntel griff. Viele Designer wollen den Zeitgeist einfangen, verstecken ihn in ihren Kollektionen aber als Ratespiel. Nafsika Skourti legt die Karten auf den Tisch, zeigt, was Sache ist. In ihrem Land, ihrem Umfeld, ihrem Kopf und der Mode.

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Von Trisha Balster